Die kleinen Geheimnisse der Viertel Sainte-Catherine und Béguinage

16 November 2022
Place Sainte-Catherine und Kirche, (c) Jean-Paul Rémy, visit.brussels

Nur wenige Schritte von der ehemalgien Brüsseler Börse entfernt befinden sich die beiden quicklebendigen und trendigen Viertel Béguinage und Sainte-Catherine, die insbesondere aufgrund ihrer Boutiquen und ihres gastronomisches Angebot hoch im Kurs liegen. Aber kennen Sie auch ihre kleinen Geheimnisse aus Vergangenheit und Gegenwart?

Sainte-Catherine und Béguinage gehören sicherlich zu den aufregendsten Brüsseler Stadtvierteln, denn hier ist immer etwas los. Obwohl sie sich auch bei Touristen großer Beliebtheit erfreuen, gibt es hier ein echtes Nachbarschaftsleben. Die Bewohner sind eng mit ihrem Viertel verbunden und plaudern gerne aus dem Nähkästchen... z. B. über historische Anekdoten, die ihre Viertel zu dem gemacht haben, was es heute ist. Symbole und Glauben spielen hier eine wichtige Rolle. Im Folgenden finden Sie einige der zum Teil etwas verborgenen Perlen dieses trendigen Viertels: die Rue de la Cigogne, die Kirche Saint-Jean-Baptiste-au Béguinage, die Gärten des Institut Pachéco, der Freimaurertempel und die denkmalgeschützten Pissoirs der Kirche Sainte-Catherine.

Noch mehr Adressen im Viertel, die einen Abstecher wert sind, finden Sie hier.  

Rue de la Cigogne

Die Rue de la Cigogne, die von der Rue Rempart des Moines aus zugänglich ist (der Zugang über die Rue de Flandre ist durch ein Tor verschlossen), ist eine malerische Oase der Ruhe mitten im Herzen der belgischen Hauptstadt. Die beste Zeit, um durch die Rue de la Cigogne zu schlendern? Zweifellos zwischen April und Juni! Denn dann tauchen die hier rankenden Glyzinien die charmante Gasse in ein zartes Violett und verleihen ihr einen Hauch von Poesie. In einem ihrer Eingänge, über dem sich ein Torbogen spannt, befindet sich eine kleine Nische mit einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden Statuette des Heiligen Rochus, seines Zeichens Schutzheiliger der Pestkranken... In den historischen Gassen der Hauptstadt findet man übrigens zahlreiche Nischen dieser Art. Die so genannten "potales", wurden von den Bewohnern angebracht, um darin einen Schutzheiligen oder die Jungfrau Maria zu platzieren.  Die Wohnhäuser der Straße stammen aus dem 17. Jahrhundert (teilweise sind sie sogar noch älter) und wurden größtenteils saniert. Auch die Pflaster- und Prellsteine sind original. Die gesamte Straße wurde 1984 unter Denkmalschutz gestellt.

Rue de la Cigogne, © visit.brussels

     

     

Die Kirche Saint-Jean-Baptiste-au-Béguinage

Auf dem Brüsseler Stadtgebiet befinden sich zahlreiche katholische Kirchen. Eine der architektonisch, aber auch unter sozialen Gesichtspunkten bemerkenswertesten ist zweifelsohne die Kirche Saint-Jean-Baptiste-au-Béguinage  (Johannes der Täufer im Beginenhof). Das Gebäude im Barockstil wurde im 17. Jahrhundert im Herzen eines bedeutenden Beginenhofs errichtet, der auf einer Fläche von 7 ha insgesamt 1084 Häuser umfasste. Aufgrund seines historischen Ambientes ist das gesamte Viertel heute sehr beliebt als Filmschauplatz und so fanden hier bereits zahlreiche Dreharbeiten statt: die englische BBC-Serie "Les Misérables", der Film "The Happy Prince" über Oscar Wilde von Rupert Everett, "Das ganz neue Testament" von Jaco Van Dormael oder auch "Ein Versprechen" von Patrice Leconte. Bemerkenswert ist auch das soziale Engagement der Kirche: Sie setzt sich seit Jahren für die Aufnahme von Migranten und Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung ein, die hier ein wenig Trost und wenn nötig ein Dach über dem Kopf finden. Das Motto des Ortes: "Behandle den anderen so, wie du selbst behandelt werden möchtest".

Kirche Eglise du Béguinage, © visit.brussels

     

     

Die Gärten des Institut Pacheco

Dieser große neoklassizistische Gebäudekomplex wurde 1827 an dem Standort der Krankenstation des ehemaligen Großen Beginenhofs von Brüssel eingeweiht. Das Institut Pacheco, das derzeit renoviert wird – hier entstehen unter anderem Wohnungen, Gastronomiebetriebe und Studentenwohnungen – diente einst als Hospiz und geriatrische Einrichtung, in der "unheilbare, gebrechliche und alte" Kranke gepflegt wurden. Das bemerkenswerte architektonische Ensemble birgt zwei herrliche, unter Denkmalschutz stehende Innengärten mit Blumenbeeten und der größten japanischen Rosskastanie der Region (Stammumfang 303 cm, Höhe über 20 m).  Kleine Anekdote: Im Eingangsbereich des Instituts befindet sich eine Gedenktafel, bei der es sich um eine der bekanntesten Brüsseler Schriftfälschungen handelt. Sie besagt, dass das Institut 1835 unter der Herrschaft von Leopold I., dem ersten König Belgiens, eingeweiht wurde. In Wirklichkeit wurde der Komplex jedoch zwischen 1824 und 1827 unter der Herrschaft von Wilhelm I. von Oranien gebaut, d. h. in der Zeit der niederländischen Besatzung. Eine Art und Weise für das junge Belgien, sich mir nichts dir nichts ein schönes holländisches Bauwerk anzueignen! Aufgrund der Umbauarbeiten ist das Institut Pachéco derzeit nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Gärten des Grand Hospice, © visit.brusssels

     

     

Der Freimaurertempel

Die neoklassizistische Fassade der Nummer 79 der Rue de Laeken birgt ein kleines Geheimnis. An dieser Adresse befindet sich eine historische Gesellschaft, die Diskretion pflegt: die Freimaurerloge Les Vrais Amis de l'Union et du Progrès (Wahre Freunde der Eintracht und des Fortschritts). Die 1854 gegründete Loge gehört zum Grand Orient de Belgique. Sie ist eine der ältesten und wichtigsten Logen Belgiens. Seit jeher treffen sich hier einige der großen Namen der politischen und kulturellen Elite Brüssels, um philosophische Fragen zu erörterb. Da die Freimaurertempelnur nur an den Tagen des Kulturerbes zugänglich sind, haben nur einige wenige das Glück, sie von innen zu sehen. Wenn Sie zu den Glücklichen gehören, werden Sie feststellen, dass sie mit ägyptischen Bildern dekoriert sind. Den größten Tempel ziert ein beeindruckendes Himmelsgewölbe. Wer mehr über die Geschichte der Freimaurerei erfahren möchte, sollte einen Abstecher zum Belgischen Freimaurermuseum einlegen, das sich ganz in der Nähe in der Rue de Laeken 73 befindet.

     

Die Pissoirs der St.-Katharina-Kirche, einst verruchte Treffpunkte

Die ersten öffentlichen Pissoirs kamen Anfang des 19. Jahrhunderts auf. Sie entwickelten sich rasch zu beliebten Treffpunkten für die damals verfolgten Homosexuellen. Männer, die sich mit anderen Männern treffen wollten, verabredeten sich diskret in den Pissoirs. Ein dringendes natürliches Bedürfnis als perfektes Alibi... Aus diesen heimlichen Verabredungen entwickelten sich manchmal wahre Liebesgeschichten. Glücklicherweise kann sich die LGBT-Gemeinschaft heute frei und offen in Belgien treffen. Aus dieser Zeit sind nur noch die Pissoirs der St. Katharinenkirche aus dem Jahr 1873 übriggeblieben. Sehr zum Leidwesen der Gläubigen der St. Katharinenkirche, die die Passanten, die sich an der Fassade ihres Gotteshauses erleichtern, mit Missfallen beäugen.