Miezekatzen und Samtpfoten: Katzen in den Sammlungen der Brüsseler Museen

Henk Visch, The stolen painting

Für die einen erhabene Gottheiten, für die anderen Ausgeburt des Teufels. Katzen als Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit haben die Epochen und Kunststile mit der ihr eigenen lässigen Geschmeidigkeit und Eleganz überdauert.

Ob als Hauptmotiv eines Kunstwerks oder als als winziges Detail in einem Gemälde – in den ständigen Sammlungen der Brüsseler Museen wimmelt es geradezu vor Katzen: gezeichnet, geschnitzt, gemalt oder ausgestopft, von japanischen Drucken über zeitgenössische Kunst, von peruanischen Stickereien bis hin zu Art-deco-Skulpturen... Begleiten Sie uns anlässlich des Internationalen Tags der Katze auf unserem Streifzug durch die Brüsseler Museen und begeben Sie sich auf die Spuren der Katze!

KÖNIGLICHE BIBLIOTHEK BELGIENS (KBR)

Léon Spilliaert "Chat de dos, debout et tourné vers l'horizon"

In wenigen einfachen Linien und mit einer ganz offensichtlichen Sparsamkeit der Mittel beschwört Léon Spilliaert (1881-1946) das eindringliche Bild einer schwarzen Katze herauf. Das mit Tusche gezeichnete Tier ist von hinten zu sehen und starrt rätselhaft in Richtung Horizont. Das Motiv ist typisch für den sehr persönlichen Stil des introvertierten Spilliaert, dessen Werke immer wieder tiefste Emotionen widerspiegeln. Die 1902 entstandene Zeichnung gehört zur frühesten und originellsten Periode des belgischen Künstlers. Seinerzeit verließ er seine Heimat Ostende, um in Brüssel zu leben und zu arbeiten. Die schwarze Katze wird traditionell mit dunklen Mächten, Unglück und Tod in Verbindung gebracht. Möglicherweise wollte Spilliaert auf die Schwarze Katze (1843) anspielen, eine populäre Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe, dessen Werke er besonders schätzte.

Standort: Cabinet des Estampes des KBR. Auf Anfrage einsehbar.

MUSEUM FÜR KUNST UND GESCHICHTE

Édouard-Marcel Sandoz, Chat assis,

Diese elegante, sitzende Raubkatze ist das wohl bekannteste Werk von Édouard-Marcel Sandoz, dem berühmten Tierbildhauer. Die Inspiration ist klar: das pharaonische Ägypten. Dennoch gilt der Stil des Kunstwerks als perfektes Beispiel für den Art déco – ein Stil, der seine Blütezeit zwischen den beiden Weltkriegen hatte und nicht nur an die Tradition anknüpfte, sondern sie gleichzeitig auch modernisierte. Durch die Vermischung kubistischer Einflüsse mit dem Stil des pharaonischen Ägyptens wurde das Kunstwerk zu einer seinerzeit absolut avantgardistischen Ikone. Die "Sitzende Katze" wurde 1925 auf der berühmten Exposition Internationale des Arts décoratifs et Industriels modernes (Internationale Ausstellung für moderne dekorative und industrielle Kunst) gezeigt, wo das im Museum für Kunst und Geschichte verwahrte Exemplar übrigens erworben wurde.

Standort: Magasins Wolfers- Musée Art et Histoire

Dieses Fragment bildete die Bordüre eines großen Grabtuchs. Zu sehen sind mehrere aufgestickte Raubkatzen, bei denen es sich um Pumas handelt, die einst als mächtige Tiere galten und als solche in den Anden verehrt wurden. Besonders bemerkenswert sind das Farbenspiel und die Umkehrungen des Musters. Das erste Tier, das sich in umgekehrter Position befindet, ist blau und birgt in seinem Körper eine weitere gelbe Katze, die wiederum einen kleinen grünen Puma umschließt. Das nächste Tier, das auf seinen Beinen steht, ist grün und birgt in seinem Körper zwei weitere Tiere. Das Muster wird immer wieder wiederholt, wodurch ein regelrechter Algorithmus der Schöpfung entsteht.

Standdort: Peru-Saal, Inv. AAM 46.7.374 (Amerika-Reserve).

Dieser japanische Kunstdruck zeigt ein Freudenhaus in dem berühmten Vergnügungsviertel Yoshiwara (Tokio), das sich vor den Toren der Stadt befand. Die Ansicht zeigt die Reisfelder von Asakusa in der Abenddämmerung, wobei die Sonne hinter dem Berg Fuji untergeht. Die Szene erinnert an den Hahnenmarkt, der im Hintergrund zu sehen ist. Es war wohl ein besonderer Festtag im Vergnügungsviertel, da es den Kurtisanen ausnahmsweise gestattet war, auch tagsüber Kunden zu empfangen. Auf dem Fensterbrett ist die Katze stiller Zeuge des Besuchs eines Kunden am Nachmittag. Dieser hat der Kurtisane einen neuen Satz Haarnadeln geschenkt, der nun auf dem Boden liegt. Die Frau bleibt unsichtbar, man kann sie hinter dem Paravent auf der linken Seite erahnen. Die herumliegenden Tücher lassen vermuten, dass das Liebesspiel zu Ende ist. All dies stört die Katze nicht, denn sie tut das, was Katzen am besten können: unbeirrt aus dem Fenster schauen.

Standort: Aufbewahrung im Cabinet des Estampes. Auf Anfrage einsehbar.

ART ET MARGES MUSEUM

Alain Delaunay, sans titre, crayons de couleur sur papier

Die Tierwelt ist die wichtigste Inspirationsquelle des belgischen Künstlers Alain Delaunay. Mit Engelsgeduld und einer ihm eigenen Methode und schafft er Buntstiftzeichnungen von außergewöhnlicher Qualität. Er kreuzt und überlagert unzählige kleine Farbstriche, die seinen Bildern eine enorme Tiefe und eine sehr glatte Oberfläche verleihen. Für eine einzige Zeichnung benötigt er mehrere Wochen. Die Katze mit den gelben Augen, die hier aus dem hohen Gras auftaucht, scheint sich direkt an den Betrachter zu wenden. Oder will sie vielleicht aus dem Kunstwerk herausspringen?

Standort: Sammlungen des Art et Marges museum

KÖNIGLICHES MUSEUM FÜR ARMEE UND MILITÄRGESCHICHTE

Pluton, chat empaillé. Seconde Guerre mondiale

Im Königlichen Museum für Armee und Militärgeschichte können Sie mit Pluto auf Tuchfühlung gehen, d. h. der Katze, die während des Zweiten Weltkriegs im belgischen Widerstand "aktiv" war. Die Geheimarmee versteckte Nachrichten in ihrem Halsband, die sie dann transportierte. Sie ist zwar nicht ganz so berühmt wie ihre Koleginnen, die Bordkatze der Bismarck oder Acoustic Kitty, aber dennoch ein kleiner belgischer Held! Um einen Blick auf diese Katze mit ihrem außergewöhnlichen Schicksal zu erhaschen, begeben Sie sich in die erste Etage der Ausstellung 40-45' "Krieg. Besetzung. Befreiung" des Museums, wo sie seit Februar 1998 durch eine Spende eine neue Heimat gefunden hat.

Standort: Zu sehen in der Ausstellung 40-45' (Bordiau-Gebäude) des Königlichen Armeemuseums und des Museums für Militärgeschichte.

KÖNIGLICHE MUSEEN DER SCHÖNEN KÜNSTE VON BELGIEN

Jan Sanders van Hemessen et Maître de Paul et Barnabé, L'enfant prodigue, 1536

Jan Sanders van Hemessen und Meister de Paul vermischen den italienischen und den flämischen Stil zu einer lebendigen und farbenfrohen Neuinterpretation des Gleichnisses vom verlorenen Sohn aus dem Evangelium. In einer  detailreichen Darstellung mit einem außergewöhnlichen Sinn für Bewegung verlegt der Antwerpener Maler die Szene in ein Bordell, wo der verlorene Sohn sein Erbe inmitten von Freudenmädchen und bösen Buben verschleudert. Musiker, Gelächter, luxuriöse Kleidung und Weingläser... die Umsetzung ist minutiös und realistisch. Unten links lauert eine graue Katze. Als Pendant zu der Frau an seiner Seite nutzt die Katze, genau wie die Frau, die Situation aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Katzenfigur hier Wollust und Sinnlichkeit symbolisiert, wie es manchmal der Fall ist.

Fundort: Zu sehen im Old Masters Museum, Saal 67  

LA CENTRALE

Henk Visch, The stolen painting

Der holländische Bildhauer Henk Visch sagt selbst über seine farbenfrohe Katze: "Die Katze ist ein sehr aufmerksames Tier, das alles beobachtet. Sie ist Zeuge. "The stolen painting" (Das gestohlene Gemälde) bezieht sich auf den Diebstahl eines Gemäldes, bei dem die Katze zum Zeugen wird. Aber wie kann sie davon berichten? Indem sie selbst das Aussehen eines Gemäldes annimmt, natürlich! Jedes Jahr versuche ich aufs Neue, ein Bild zu malen. Ich finde die Idee toll, ein Bild zu malen und es dann anzuschauen, aber ich bin nie zufrieden damit, es gelingt mir einfach nicht. Es macht mich wütend, dass ich nicht malen kann, und ich gebe lieber jemand anderem die Schuld: Mein Bild wurde gestohlen! Und die Katze ist mein Zeuge! Doch hier ist die Katze selbst zu einem Bild geworden, das mich stets daran erinnern wird, dass ich nicht malen kann." - Henk Visch.

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